Ein letztes Maldurchschnaufen für die letzten fünf und einzigen schweren Meter in "La part du diable" (8c+) in Céüse. |
Was machen, wenn der Vorsatz für den Abend Enthaltsamkeit heißt und der erste Gesprächspartner gleich direkt zu dir vom Baum der Versuchung herab gestiegen zu sein scheint? Was machen? Nachgeben natürlich. Wem nützen schon dogmatische Vorsätze…
Okay, jedem sein Credo, auch Dogmaten sind ja irgendwie süß. Ich kam nach Céüse mit dem Vorsatz der Enthaltsamkeit von allem, was mehr als einen Tag in Anspruch nehmen würde, also allem, was schwerer als 8b+ ist. Unglücklicherweise (was heißt schon Unglück – schicksalshafterweise) wählte ich am ersten Tag den Zustieg, der am Sektor Biographie auf den Wandriegel trifft und zudem auch noch genau an dem Ort, an dem Chris Sharma vor zwei Sommern „Three degrees of separation“ (9a) erstbegangen hatte, welches sich die ersten zwei Meter mit einem schon älteren Projekt teilt, das immer ungechalkt und ohne Exen unscheinbar sich zwischen den Riesenlöchern in diesem Wandabschnitt versteckte – das jetzt aber offensichtlicherweise kein Projekt mehr war. Die grünen Schlingen von Daniel Jung und die vielen weißen Flecken markierten nun eine der besten Linien in einem an besten Linien reichen Sektor. Ich wusste nicht den Namen und nicht die Schwierigkeit und ich wollte sie auch gar nicht wissen, denn ich wusste ja, dass an Orten an denen Exen hängen ich zumindest irgendwie hoch kommen sollte. Und ein solcher Akt des topolosen Einsteigens in eine so schöne Linie wäre ja auch mal ein echter Tribut an die Ästhetik vor der Zahl.
Aber noch war ich voller Vorsätze und so nahm ich mir erst einmal eine nette 8a+ vor, nur ist es mit netten Routen halt ein bisschen so wie mit netten Mädchen. Irgendwie schlägt so ein kurzes nicht wirklich nach Grenze (bzw. Herausforderung) schmeckendes Erlebnis mich nicht in seinen Bann. Und so kam was kommen musste. Schon am zweiten Tag in Céüse hing ich in der schönen Linie mit den grünen Exen von Daniel. Und sie hielt, was ihr Augenschein versprach. Geniale athletische Moves auf den ersten 20 Metern, nicht schwer - 8a+ - und mit jeder Menge wirklich großer Rastschüsseln, wie sie typischerweise den Kalkpanzer des Sektors sprenkeln. Allein die letzten fünf Meter drehen auf und drehen die Schwierigkeit von moderat auf schwer. Ein ca. Fb8a/8a+ Boulder an Zweifingerlöchern, super Züge – einziger Wermutstropfen die Ränder ebenjener Löcher. Denn die sind fast so scharf, als seien auch sie gerade vom Baum der Versuchung herab gestiegen. Und so hatte ich zwar schnell den Plan, wie das alles zu machen sei, nur dürfte ich auch genauso schnell diesen unangenehmen Blick auf die frisch aufgeschnittenen Finger werfen, der da sagt, für heute ist Schluss und auch in den nächsten Tagen wirst du nur mit Tape klettern. Und man muss wissen, dass bei dieser Griffgröße Tape dazu führt, dass man etwas rutscht in den Löchern, etwas weniger stabil in den Zügen steht, etwas schlechter das nächste kleine Loch trifft. Etwas mehr Probleme hat. Steht man nicht wirklich über der Schwierigkeit, sollte man also immer versuchen die richtigen Durchstiegsversuche ohne Tape anzugehen.
So konnte ich zwar immer mal wieder ein oder zwei Mal die Route auschecken, die Züge üben, in erster Linie konzentrierte ich mich aber auf die Hautaufzucht. Eine Tätigkeit bestehend aus feilen, schleifen, schneiden, cremen, waschen, beten. Hoch komplex und zum Glück nicht so anstrengend wie das Klettern selbst. So gingen die Tage ins Land und brachten nur wenige Versuche mit sich, nach knapp zwei Wochen erst knapp zehn. Zehn Versuche mache ich normalerweise in fünf Tagen, inklusive Ruhetage. Dann aber trugen das Beten und der Rest endlich Früchte und ich konnte von meiner Haut behaupten, dass sie wieder voll zu belasten sei. Was auch direkt dazu führte, dass ich am letzten schwereren Zug ganz knapp abschmierte. Und ich war gerade dabei zu behaupten, dass der Durchstieg im nächsten Go fällig wäre, oder mindestens am nächsten Klettertag, da musste ich mit einem Blick auf meinen linken Mittelfinger meine anfängliche Behauptung zurücknehmen, meine Haut sei wieder voll belastungsfähig. Denn sie hatte mich widerlegt und wartete nun mit einem ebenso tiefgehenden Riss wie ganz zu Beginn auf. Also eigentlich erneut eine Woche nur mit Tape oder besser gar nicht klettern. Angesichts unserer Zeitplanung kein Ding irgendeiner Möglichkeit.
Plan B kam – so könnte man sagen – in den Schuhen meiner Freundin Jeanne. Sie hatte sich zur Schnellreparatur dieser mit SuperGlue – einer wirklich teuflisch klebrigen Substanz – eingedeckt. Und was ihre Schuhe flicken kann, wird auch meine Haut zusammenhalten, dachte ich mir und begann sogleich mit der Praxiserprobung des Hautrisssekundenklebens. In Feinarbeit wird Schicht für Schicht übereinander in die Wunde geträufelt, glattgeblasen, in die Sonne gehalten. Und so geflickt, nach einer ordentlichen Völlerei-Session am Vortag und dem Chemieteufelchen auf der Schulter stand ich zwei Tage später wieder vor „La part du diable“. Nur konnte ich die Umlenkung nicht sehen. Ich wusste zwar, sie war noch da, denn unser Fixseil hing noch von ihr herab, aber das alles spielte sich in einer fernen Nebelsphäre ab, von welcher ich kaum zu glauben wagte, sie würde mir an diesem Nachmittag noch Zugang zu ihren Geheimnissen gewähren. Angesichts des Wetters. Und so stellte ich mich auf Sichern ein und konzentrierte meine metaphysischen Durchstiegskräfte auf den folgenden Tag.
Umsonst, wie sich am Tag darauf zeigen sollte. Denn zwar war das Wetter besser, die Bedingungen ziemlich gut, der Himmel blau, bloß hatte ich das Teufelsteil schon im Sack. Die metaphysische Konzentration hatte wohl dazu geführt, dass ich, als es dann ein wenig weniger neblig wurde, ganz entspannt einen Go machen konnte. Die Völlerei hatte dazu geführt, dass ich zur Entspannung auch über die nötige Dosis Maximalspannung verfügte und das Chemieteufelchen in Sekundenklabertracht schließlich dazu, dass auch meine Haut ihre Spannkraft nicht direkt wieder abwarf. Und so war alles bereitet, „La part du diable“ nicht nur durchzusteigen, sondern das auch noch mit ordentlich Luft zum eigenen Limit. Luft wohl, die mir das kleine Teufelchen verschafft hatte, dass in einer Route die „Teufelsanteil“ heißt, seinen Anteil aber wohl auch zugestanden haben will.
So kam der entspannte Durchstieg dieser fast schon netten 8c+ zudem genau zur rechten Zeit, einige Tage vor der Abreise aus Céüse und ließ noch Raum zum Filmen, zum Fotographieren und zum Bestaunen des Aufzugs des Herbst – in nur wenigen Tagen zu wirklich frappierender Farbenpracht. Zwar hatte der mir leider nicht namentlich bekannte Erstbegeher 8c vorgeschlagen, alle bisherigen Wiederholer dies aber angezweifelt und auch ich reihe mich nahtlos ein, denn 8c sieht anders aus. 8c+ dagegen – auch angesichts der 13 Versuche, die ich benötigte – ziemlich genau so. Ich wage sogar zu behaupten, sie wäre auch nicht schwerer, würde man seine Seele nicht der Chemieindustrie verkaufen…
Okay, jedem sein Credo, auch Dogmaten sind ja irgendwie süß. Ich kam nach Céüse mit dem Vorsatz der Enthaltsamkeit von allem, was mehr als einen Tag in Anspruch nehmen würde, also allem, was schwerer als 8b+ ist. Unglücklicherweise (was heißt schon Unglück – schicksalshafterweise) wählte ich am ersten Tag den Zustieg, der am Sektor Biographie auf den Wandriegel trifft und zudem auch noch genau an dem Ort, an dem Chris Sharma vor zwei Sommern „Three degrees of separation“ (9a) erstbegangen hatte, welches sich die ersten zwei Meter mit einem schon älteren Projekt teilt, das immer ungechalkt und ohne Exen unscheinbar sich zwischen den Riesenlöchern in diesem Wandabschnitt versteckte – das jetzt aber offensichtlicherweise kein Projekt mehr war. Die grünen Schlingen von Daniel Jung und die vielen weißen Flecken markierten nun eine der besten Linien in einem an besten Linien reichen Sektor. Ich wusste nicht den Namen und nicht die Schwierigkeit und ich wollte sie auch gar nicht wissen, denn ich wusste ja, dass an Orten an denen Exen hängen ich zumindest irgendwie hoch kommen sollte. Und ein solcher Akt des topolosen Einsteigens in eine so schöne Linie wäre ja auch mal ein echter Tribut an die Ästhetik vor der Zahl.
Aber noch war ich voller Vorsätze und so nahm ich mir erst einmal eine nette 8a+ vor, nur ist es mit netten Routen halt ein bisschen so wie mit netten Mädchen. Irgendwie schlägt so ein kurzes nicht wirklich nach Grenze (bzw. Herausforderung) schmeckendes Erlebnis mich nicht in seinen Bann. Und so kam was kommen musste. Schon am zweiten Tag in Céüse hing ich in der schönen Linie mit den grünen Exen von Daniel. Und sie hielt, was ihr Augenschein versprach. Geniale athletische Moves auf den ersten 20 Metern, nicht schwer - 8a+ - und mit jeder Menge wirklich großer Rastschüsseln, wie sie typischerweise den Kalkpanzer des Sektors sprenkeln. Allein die letzten fünf Meter drehen auf und drehen die Schwierigkeit von moderat auf schwer. Ein ca. Fb8a/8a+ Boulder an Zweifingerlöchern, super Züge – einziger Wermutstropfen die Ränder ebenjener Löcher. Denn die sind fast so scharf, als seien auch sie gerade vom Baum der Versuchung herab gestiegen. Und so hatte ich zwar schnell den Plan, wie das alles zu machen sei, nur dürfte ich auch genauso schnell diesen unangenehmen Blick auf die frisch aufgeschnittenen Finger werfen, der da sagt, für heute ist Schluss und auch in den nächsten Tagen wirst du nur mit Tape klettern. Und man muss wissen, dass bei dieser Griffgröße Tape dazu führt, dass man etwas rutscht in den Löchern, etwas weniger stabil in den Zügen steht, etwas schlechter das nächste kleine Loch trifft. Etwas mehr Probleme hat. Steht man nicht wirklich über der Schwierigkeit, sollte man also immer versuchen die richtigen Durchstiegsversuche ohne Tape anzugehen.
So konnte ich zwar immer mal wieder ein oder zwei Mal die Route auschecken, die Züge üben, in erster Linie konzentrierte ich mich aber auf die Hautaufzucht. Eine Tätigkeit bestehend aus feilen, schleifen, schneiden, cremen, waschen, beten. Hoch komplex und zum Glück nicht so anstrengend wie das Klettern selbst. So gingen die Tage ins Land und brachten nur wenige Versuche mit sich, nach knapp zwei Wochen erst knapp zehn. Zehn Versuche mache ich normalerweise in fünf Tagen, inklusive Ruhetage. Dann aber trugen das Beten und der Rest endlich Früchte und ich konnte von meiner Haut behaupten, dass sie wieder voll zu belasten sei. Was auch direkt dazu führte, dass ich am letzten schwereren Zug ganz knapp abschmierte. Und ich war gerade dabei zu behaupten, dass der Durchstieg im nächsten Go fällig wäre, oder mindestens am nächsten Klettertag, da musste ich mit einem Blick auf meinen linken Mittelfinger meine anfängliche Behauptung zurücknehmen, meine Haut sei wieder voll belastungsfähig. Denn sie hatte mich widerlegt und wartete nun mit einem ebenso tiefgehenden Riss wie ganz zu Beginn auf. Also eigentlich erneut eine Woche nur mit Tape oder besser gar nicht klettern. Angesichts unserer Zeitplanung kein Ding irgendeiner Möglichkeit.
Plan B kam – so könnte man sagen – in den Schuhen meiner Freundin Jeanne. Sie hatte sich zur Schnellreparatur dieser mit SuperGlue – einer wirklich teuflisch klebrigen Substanz – eingedeckt. Und was ihre Schuhe flicken kann, wird auch meine Haut zusammenhalten, dachte ich mir und begann sogleich mit der Praxiserprobung des Hautrisssekundenklebens. In Feinarbeit wird Schicht für Schicht übereinander in die Wunde geträufelt, glattgeblasen, in die Sonne gehalten. Und so geflickt, nach einer ordentlichen Völlerei-Session am Vortag und dem Chemieteufelchen auf der Schulter stand ich zwei Tage später wieder vor „La part du diable“. Nur konnte ich die Umlenkung nicht sehen. Ich wusste zwar, sie war noch da, denn unser Fixseil hing noch von ihr herab, aber das alles spielte sich in einer fernen Nebelsphäre ab, von welcher ich kaum zu glauben wagte, sie würde mir an diesem Nachmittag noch Zugang zu ihren Geheimnissen gewähren. Angesichts des Wetters. Und so stellte ich mich auf Sichern ein und konzentrierte meine metaphysischen Durchstiegskräfte auf den folgenden Tag.
Umsonst, wie sich am Tag darauf zeigen sollte. Denn zwar war das Wetter besser, die Bedingungen ziemlich gut, der Himmel blau, bloß hatte ich das Teufelsteil schon im Sack. Die metaphysische Konzentration hatte wohl dazu geführt, dass ich, als es dann ein wenig weniger neblig wurde, ganz entspannt einen Go machen konnte. Die Völlerei hatte dazu geführt, dass ich zur Entspannung auch über die nötige Dosis Maximalspannung verfügte und das Chemieteufelchen in Sekundenklabertracht schließlich dazu, dass auch meine Haut ihre Spannkraft nicht direkt wieder abwarf. Und so war alles bereitet, „La part du diable“ nicht nur durchzusteigen, sondern das auch noch mit ordentlich Luft zum eigenen Limit. Luft wohl, die mir das kleine Teufelchen verschafft hatte, dass in einer Route die „Teufelsanteil“ heißt, seinen Anteil aber wohl auch zugestanden haben will.
So kam der entspannte Durchstieg dieser fast schon netten 8c+ zudem genau zur rechten Zeit, einige Tage vor der Abreise aus Céüse und ließ noch Raum zum Filmen, zum Fotographieren und zum Bestaunen des Aufzugs des Herbst – in nur wenigen Tagen zu wirklich frappierender Farbenpracht. Zwar hatte der mir leider nicht namentlich bekannte Erstbegeher 8c vorgeschlagen, alle bisherigen Wiederholer dies aber angezweifelt und auch ich reihe mich nahtlos ein, denn 8c sieht anders aus. 8c+ dagegen – auch angesichts der 13 Versuche, die ich benötigte – ziemlich genau so. Ich wage sogar zu behaupten, sie wäre auch nicht schwerer, würde man seine Seele nicht der Chemieindustrie verkaufen…
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