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Mittwoch, 17. August 2011
Sonntag, 31. Juli 2011
lizardclimbing.com online!
Pirmin Bertle schafft es nach fast 2 Jahren Vorlauf letztendlich doch noch seine Fotografie- und Sportkletterseite zu veröffentlichen. In ihrer bescheidenen Startversion warten auf den Besucher rund 600 Fotos, ein halbes Dutzend Videos, etliche Seiten Blog, Hintergrund- und Satiretexte, Interviews, Topos, Gebietsvorstellungen und immer wieder frisch gebackene News.
Die Erinnerungen an Sommertage mit Blättern voller Layout- und Template-Entwürfen auf dem Terrassentisch, sie haben schon fast etwas von Erinnerungen aus der Kindheit, so verschleiert und weit entfernt kommen sie mir vor. Die erste Konzeption von lizardclimbing.com liegt knapp 2 Jahre zurück. Die Idee war schnell gebastelt und auch der Inhalt zusammengestellt. Nur wie wird daraus html?
Mit befreundeten Webdesignern auf Hobbybasis wollte es nicht so recht klappen und so gingen die Monate, irgendwann auch mal ein Jahr ins Land, News und Blogs wurden fleißig mitgeschrieben, denn der Tag der Veröffentlichung, er war nicht mehr weit, das war gewiss, so war’s versprochen. Nach eineinhalb Jahren des Versprechens musste dann der Designerwechsel her und seit Toni Crottet von azoom.ch das Code-Zepter führt, ging‘s eigentlich ziemlich schnell (für Klettererverhältnisse).
Und zudem kann es sich wirklich sehen lassen, das Ergebnis. Die Templates und – so hoffe ich – auch der Inhalt. Die Seite soll auf jeden Fall über den Status des Blogs eines verrückten Kletterers hinausgehen und sich neben der Leistung in unserem Sport vor allem auch mit seinen schönen Seiten beschäftigen. Sei es in Form der vielen Fotos, von denen im Übrigen über die Hälfte Landschaftsfotografie ist, der Videos oder der zahlreichen Texte, die zum einen erklären, zum anderen kritisch zerlegen oder einfach nur satirisch die Materie streifen sollen. Dazu gibt’s einiges an Infos: Topos, Gebietsvorstellungen, Updates über unsere laufenden Projekte und natürlich, Ticklists ;).
Und die aktuelle Version ist nur die „Startauflage“, absolut geniales Bild- und Textmaterial aus unserem Passion verticale – Buchprojekt, das von Geoquest verlegt wird und im Herbst in die Läden kommt, wartet in den Startlöchern. Die nächsten Videos sind in Bearbeitung und die 9a+-Projekte in Charmey für den Herbst gebohrt! Es wird also nicht unbedingt ruhiger werden auf den Seiten von www.lizardclimbing.com
Montag, 18. April 2011
Swiss Intermezzo
Tricky Moves. Nils Favre in apell au sodom (8c) in Roche. |
Während zwei Wochen Heimurlaub gelingen Pirmin zwei 8c und einige 8b und 8b+ in der Westschweiz
Der Durchstieg war noch ziemlich locker von der Hand gegangen, beim Filmen allerdings forderte mein Körper dann seinen Tribut für sechs Wochen an der frischen Luft. Plötzlich hatte ich Mühe mit den Einzelzügen. Kaum kriege ich meinen Arsch noch zur Umlenkung.
Wir schreiben den 23. März, den Tag meines Durchstiegs von „Jungle speed“ (9a) in Siurana. Meine Form hat sich nach einem fulminanten Schlussspurt direkt hinter der Ziellinie so richtig auf die Nase gelegt. Ab diesem Tag geht gar nichts mehr. Eindeutig die Botschaft: Es ist Pause angesagt!
Die nehme ich mir, zurück in der Schweiz. Auf jeden Fall mal eine Woche lang. Ja, ich würde gerne noch länger kürzer treten, aber irgendwie gelingt es mir nicht. Irgendwie brennt es mir unter den Fingernägeln, die schöne Form an den Fels zu bringen. Ich bräuchte etwas Kleingriffiges, leicht Überhängendes. So wie Siurana eben. Das einzige Gebiet mit schweren Routen allerdings, das ich in der Nähe von Genf – wo ich bei meiner Freundin wohne – kenne, ist St. George. St. George ist pure Dachkletterei. An großen Griffen. Viele, weite Züge. Tricky Dachmoves. Naja, nicht ganz das was ich suchte, aber schließlich will man ja alles können.
Und in St. George schwimmt zudem ein angeblich ziemlich fetter, noch ungeangelter Fisch: Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand von einem 9a-Dach! Da ich leider niemanden mit genaueren Infos erreiche, geh ich selber schauen, probiere alle mir unbekannten, schwer aussehenden Linien, eine 9a ist leider nicht dabei, alles max. 8c. Ich probiere also die, die ich für schwerer halte, schwerer wohl unter anderem auch, weil noch zwei Griffe nass sind. Ich kann sie recht schnell klettern, bin mir allerdings nicht sicher, ob das wirklich 8c ist. Auf jeden Fall ein netter Wiedereinstieg in die Dachkletterei. Und eindeutig schwerer, als eine als hart geltende 8b daneben, die ich noch hinterher schiebe.
Zwei Tage später erhellt mir ein Lokal die Angelegenheit. Was ich bereits geklettert bin ist 8b+ - mit trockenen Griffen wohl etwas gängiger – eine der anderen Routen – die ich auch bereits probiert habe – das ominöse Projekt. Wunderbar, die 9a’s hier sind ja noch chilliger, als in Spanien ;), denke ich mir und gehe noch mal rein.
Letztendlich ist es doch nicht ganz so leicht, weil ziemlich anhaltend und eben steil. Auch wenn es immer mal wieder ein paar gute Griffe gibt, man hängt immer in der Horizontalen und braucht schon eine gute Erholungsfähigkeit, um dort wirklich zu schütteln. Aber die hab ich dank der vielen Routen in Europas Süden ja und so brauche ich für dieses Projekt auch nur noch ein paar Versuche mehr. Letztendlich – nachdem es auch einer der Locals nochmal probiert hat – beschließen wir, dass es wohl bei 8c eincheckt. Ein Manko hat die eigentlich sehr unterhaltsame Kletterei leider: An der Crux befindet sich eine recht hohle, wenn auch nicht besonders brüchige Griffstruktur, man kann nicht wissen, wie sie sich bei schweren Aspiranten verhalten wird. Deshalb wähle ich als Routennamen das etwas sperrige Darmstadtium. Hierbei handelt es sich um das Element des Periodensystems mit der kürzesten Halbwertszeit. 0.17 Millisekunden. Ein wenig länger wird die Route wohl aber hoffentlich noch in diesem Zustand bleiben.
Wo wir schon in der über 45°-Überhängen sind, geht die Reise weiter nach Roche, ein Kleinod am oberen Ende des Genfer Sees, mit genialem Gestein, einer dank permanentem Wind an Schweizer Banken erinnernden Conditionsgarantie und einer wunderbaren 8c-Diagonale durch den Hauptüberhang. L’appel au sodom, ein an dieser Stelle besser nicht zu übersetzender Routenname, komplexe Traversenkletterei und Maximalkraftausdauer mit einem interessanten Abwärtssprung als Crux. Nachdem ich die Route bereits aus dem Vorjahr kenne, kostet sie mich dieses Mal nur noch weitere vier Versuche. Bleibt noch Zeit zum Filmen. Und diesmal kackt die Form nicht augenblicklich ab. Ein gutes Zeichen, dass hart klettern zuhause, doch erholsamer ist, als auf Reisen und es also weitergehen kann. Mit dem Reisen.
Nächstes Ziel auf unserer Passion verticale Bildbandreise ist Rodellar. Das Dachklettern wird sich also bald gelohnt haben! Erhältlich wird das Buch im Übrigen ab Ende des Jahres bei GeoQuest (http://geoquest-verlag.de) sein. Ich wünsche schon mal viel Spaß beim Lesen!
Der Durchstieg war noch ziemlich locker von der Hand gegangen, beim Filmen allerdings forderte mein Körper dann seinen Tribut für sechs Wochen an der frischen Luft. Plötzlich hatte ich Mühe mit den Einzelzügen. Kaum kriege ich meinen Arsch noch zur Umlenkung.
Wir schreiben den 23. März, den Tag meines Durchstiegs von „Jungle speed“ (9a) in Siurana. Meine Form hat sich nach einem fulminanten Schlussspurt direkt hinter der Ziellinie so richtig auf die Nase gelegt. Ab diesem Tag geht gar nichts mehr. Eindeutig die Botschaft: Es ist Pause angesagt!
Die nehme ich mir, zurück in der Schweiz. Auf jeden Fall mal eine Woche lang. Ja, ich würde gerne noch länger kürzer treten, aber irgendwie gelingt es mir nicht. Irgendwie brennt es mir unter den Fingernägeln, die schöne Form an den Fels zu bringen. Ich bräuchte etwas Kleingriffiges, leicht Überhängendes. So wie Siurana eben. Das einzige Gebiet mit schweren Routen allerdings, das ich in der Nähe von Genf – wo ich bei meiner Freundin wohne – kenne, ist St. George. St. George ist pure Dachkletterei. An großen Griffen. Viele, weite Züge. Tricky Dachmoves. Naja, nicht ganz das was ich suchte, aber schließlich will man ja alles können.
Und in St. George schwimmt zudem ein angeblich ziemlich fetter, noch ungeangelter Fisch: Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand von einem 9a-Dach! Da ich leider niemanden mit genaueren Infos erreiche, geh ich selber schauen, probiere alle mir unbekannten, schwer aussehenden Linien, eine 9a ist leider nicht dabei, alles max. 8c. Ich probiere also die, die ich für schwerer halte, schwerer wohl unter anderem auch, weil noch zwei Griffe nass sind. Ich kann sie recht schnell klettern, bin mir allerdings nicht sicher, ob das wirklich 8c ist. Auf jeden Fall ein netter Wiedereinstieg in die Dachkletterei. Und eindeutig schwerer, als eine als hart geltende 8b daneben, die ich noch hinterher schiebe.
Zwei Tage später erhellt mir ein Lokal die Angelegenheit. Was ich bereits geklettert bin ist 8b+ - mit trockenen Griffen wohl etwas gängiger – eine der anderen Routen – die ich auch bereits probiert habe – das ominöse Projekt. Wunderbar, die 9a’s hier sind ja noch chilliger, als in Spanien ;), denke ich mir und gehe noch mal rein.
Letztendlich ist es doch nicht ganz so leicht, weil ziemlich anhaltend und eben steil. Auch wenn es immer mal wieder ein paar gute Griffe gibt, man hängt immer in der Horizontalen und braucht schon eine gute Erholungsfähigkeit, um dort wirklich zu schütteln. Aber die hab ich dank der vielen Routen in Europas Süden ja und so brauche ich für dieses Projekt auch nur noch ein paar Versuche mehr. Letztendlich – nachdem es auch einer der Locals nochmal probiert hat – beschließen wir, dass es wohl bei 8c eincheckt. Ein Manko hat die eigentlich sehr unterhaltsame Kletterei leider: An der Crux befindet sich eine recht hohle, wenn auch nicht besonders brüchige Griffstruktur, man kann nicht wissen, wie sie sich bei schweren Aspiranten verhalten wird. Deshalb wähle ich als Routennamen das etwas sperrige Darmstadtium. Hierbei handelt es sich um das Element des Periodensystems mit der kürzesten Halbwertszeit. 0.17 Millisekunden. Ein wenig länger wird die Route wohl aber hoffentlich noch in diesem Zustand bleiben.
Wo wir schon in der über 45°-Überhängen sind, geht die Reise weiter nach Roche, ein Kleinod am oberen Ende des Genfer Sees, mit genialem Gestein, einer dank permanentem Wind an Schweizer Banken erinnernden Conditionsgarantie und einer wunderbaren 8c-Diagonale durch den Hauptüberhang. L’appel au sodom, ein an dieser Stelle besser nicht zu übersetzender Routenname, komplexe Traversenkletterei und Maximalkraftausdauer mit einem interessanten Abwärtssprung als Crux. Nachdem ich die Route bereits aus dem Vorjahr kenne, kostet sie mich dieses Mal nur noch weitere vier Versuche. Bleibt noch Zeit zum Filmen. Und diesmal kackt die Form nicht augenblicklich ab. Ein gutes Zeichen, dass hart klettern zuhause, doch erholsamer ist, als auf Reisen und es also weitergehen kann. Mit dem Reisen.
Nächstes Ziel auf unserer Passion verticale Bildbandreise ist Rodellar. Das Dachklettern wird sich also bald gelohnt haben! Erhältlich wird das Buch im Übrigen ab Ende des Jahres bei GeoQuest (http://geoquest-verlag.de) sein. Ich wünsche schon mal viel Spaß beim Lesen!
Montag, 4. April 2011
Spanischer Frühling - 9a, 8c+ und 8c in Siurana
Einer der schwersten beiden Zügen in Jungle speed 9a. Eingerahmt von Efeuranken. |
Zwischen viel Sonne und Gechille gelangen mir diesen März in Siurana „Jungle speed“ (9a), „Chocolate caliente“ (8c+) und „Leche Caliente“ (8c). Und ein bisschen Frühling in die Doktrin des Leistungskletterns zu bringen…
Von politischen Frühlingen spricht oder liest man gemeinhin in Fällen von aus Sicht des Humanismus wünschenswerten Veränderungen in repressiven, von Doktrin behafteten Systemen. So z.B. geschehen im Prager Frühling 1968, oder auch in Überschriften zu den aktuellen Veränderungen in Teilen der arabischen Welt. Betrachtet man die Doktrin des Leistungssports in Bezug aufs Klettern und wie diese ausgelegt wird, dann trifft man vielerorts auf sehr seriös, professionell Anmutendes: Viel Training, viel Klettern, kontrollierte Ernährung, eine starke mentale Vereinnahmung, ausreichend Schlaf, keine Drogen, kein Alkohol. Viel Zielstrebigkeit, wenig Dahintreiben. Auch ich bin von diesen Anwandlungen nicht gefeit, immer wieder suchen sie mich heim und ich denke dann immer alles geben zu müssen für meine sportlichen Ziele. Ich fühle mich von mir selbst vor mir selbst hergetrieben. Nicht wenig Zeit verbringe ich in dieser Art Laufrad. Immer wieder. Bis jedes Frühjahr wieder – ich nach Siurana komme.
Siurana zieht mich in seinen Bann. Unweigerlich. Unausweichlich. Immer wieder gleich. Dieser Ort unterzieht mich einer Gehirnwäsche. Wäscht aus meinem Kopf den Gedanken des Ziels, zieht mich aus meinem Hamsterrad, erzieht mich zu Ganzheit. Mit jedem Tag wird der Leistungsaspekt des Kletterns unwichtiger, rückt in den Vordergrund, was dieser Ort wirklich zu bieten hat (neben den schönen, schweren Routen natürlich): Die unglaubliche Lage, die wilde, mediterrane Natur, den Wind, die Sonne, die Menschen, die auch deshalb gekommen sind, mit viel Zeit, viel Geduld. Tage, die beginnen, ohne dass klar ist, was mit ihnen geschehen wird. Vielleicht werden wir irgendwann gegen Abend am Fels einfinden, vielleicht werden wir einfach den ganzen Tag in der Sonne liegen, Gitarre spielen, ausufernde Diskussionen starten, kochen, essen, ohne Druck doch heute Abend dieses und jenes Pensum absolviert haben zu müssen.
Nur, geht da nicht die Form kaputt, verliert sich nicht der Wille zwischen all diesen angenehmen Dingen? Vielleicht, aber wäre das dann schlimm? Und es ist ja nicht so, dass man sich ganz des Kletterns entledigen wollte. Nur eben seiner repressiven Seite. Und von all dem Essen und dem in der Sonne liegen wird man ja bekanntlich erst so richtig stark. Selbst wenn man es gar nicht mehr wollte. Ziemlich direkt bekomme ich das zu spüren im Sektor Grau dels Mastets. Toni Arbonés hat mich vorgewarnt, Chocolate caliente sei eine schwere 8c+. Die acht Versuche an drei Tagen, die sie mir abverlangte, erzählen eine andere Geschichte. Genauso sein Nachbar Leche caliente. 8c auf kleinsten Griffen. Im zweiten Versuch knapp gescheitert, im dritten auch, der vierte fällt auf einen Tag an dem es wie aus Eimern schneite. Dicke, weiße Flocken und absolute Stille. Spannendes Geeiere über die nassen Meter am Ausstieg, dann ist auch sie im Sack.
Jungle speed hatte ich bereits im Vorjahr einmal angeschaut, sie versprach auch noch im Frühjahr beste Bedingungen zu bieten, schattig, sogar windig, verloren zwischen Gebüsch und Gebäum im Sektor La Capella. Explosive Züge, zwei ca. Fb7c+ Boulder hintereinander, dann noch eine 8a+ zur Kette. Bereits im sechsten Versuch bin ich nah dran am Durchstieg, fühle also keinerlei Druck angesichts der drei Wochen, die mir noch bleiben. Ich mache Ruhetage, wie es das Herz begehrt, projektiere nebenher noch Chicane, wir machen Fotos in der 9a. Und da passiert es, ich hole mir einen reisen Cut am Zeigefinger, eine Woche keine kleinen Leisten mehr. Kein Grund zur Sorge, bleiben ja noch zwei Wochen danach.
Eine Woche später. Die Haut passt. Aber die Sintflut ist hereingebrochen. Wir versinken im Nebel und im Wasser. Vier Tage Dauerniederschlag. Macht nix, bleibt ja noch eine gute Woche danach.
Wieder eine Woche später. Das Wetter ist schön, aber: Jungle speed hat sich in einen Wasserfall verwandelt. Einen Tag, zwei Tage, vier… Ich gehe trotzdem hin, nur um festzustellen, dass der Ausstieg immer noch in der Waschstraße parkt. Aber nach zwei Wochen kann es ja nicht schaden, die Züge nochmal etwas zu trainieren. Ich bouldere ein bisschen rum, geht ganz gut, ich mache einen Versuch von unten. Geht, geht, geht. Geht alles. Ich habe die Route praktisch durchgestiegen, bin aus allen Schwierigkeiten heraus, aber ich kann nicht die 7b zur Kette machen, weil das Wasser über die kleinen Leisten in der Platte läuft. Dann also das nächste Mal.
Einige Tage später ist sie dann tatsächlich trocken, und inzwischen habe ich es sogar etwas eilig. So entspannt bin ich dann trotz all dem angenehmen Leben nicht, dass ich auf diese Route verzichten wollte. Jetzt, wo ich sie praktisch schon geklettert habe. Ich könnte mich einfach gut vorbereiten: Kohlehydrate essen, viel schlafen, mich mental einstimmen auf die Route, kein Alkohol oder sonstiges. Doch hier kommt mir wieder der anti-doktrinische Frühling in die Quere, der mir das Leben hier so leicht vorkommen lässt. Am Abend bevor ich Jungle speed rotpunkt klettern soll, sind wir bis halb fünf Uhr morgens am debattieren, um halb neun kommt die Sonne und brät mich aus dem Schlafsack, kurzum: Ich fühle mich zerschlagen.
Leider sagt der Wetterbericht ab morgen gewittrige 20 Grad an. Es sollte also trotz aller Zerschlagenheit gehen. Sonst könnte ich ernsthafte Konflikte mit der Heimreise bekommen. Und was im Endeffekt passiert erstaunt mich mehr, als mich jedes Versagen, jede Art von Formtief hätte erstaunen können. Da wir die Route noch filmen wollen, muss ich insgesamt dreimal hoch. Diese drei Mal gestalten sich folgendermaßen. Im ersten Versuch des Tages steige ich die Route ohne das geringste Problem durch. Nirgends gerate ich an mein Limit, Züge, die ich bisher sogar beim Ausbouldern schnappen musste, gehen plötzlich fast statisch. Freude und Erleichterung sind riesig, ich schreie sie laut – etwas sehr laut – hinaus.
Danach – eigentlich rechne ich damit sie vielleicht gleich nochmal durchsteigen zu können – geht gar nichts mehr. Mit Mühe und Not bekomme ich die Züge noch hin, mein Körper aber sagt mir deutlich: Ich habe ausgedient für diesen Siurana-Aufenthalt. Zwar habe ich noch Chicane offen und wäre auch motiviert, aber angesichts der Lehrstunde gegen dogmatisches Leistungsklettern kann ich davon ohne weiteres absehen und die letzten zwei Tage wieder in der Sonne liegen.
Von politischen Frühlingen spricht oder liest man gemeinhin in Fällen von aus Sicht des Humanismus wünschenswerten Veränderungen in repressiven, von Doktrin behafteten Systemen. So z.B. geschehen im Prager Frühling 1968, oder auch in Überschriften zu den aktuellen Veränderungen in Teilen der arabischen Welt. Betrachtet man die Doktrin des Leistungssports in Bezug aufs Klettern und wie diese ausgelegt wird, dann trifft man vielerorts auf sehr seriös, professionell Anmutendes: Viel Training, viel Klettern, kontrollierte Ernährung, eine starke mentale Vereinnahmung, ausreichend Schlaf, keine Drogen, kein Alkohol. Viel Zielstrebigkeit, wenig Dahintreiben. Auch ich bin von diesen Anwandlungen nicht gefeit, immer wieder suchen sie mich heim und ich denke dann immer alles geben zu müssen für meine sportlichen Ziele. Ich fühle mich von mir selbst vor mir selbst hergetrieben. Nicht wenig Zeit verbringe ich in dieser Art Laufrad. Immer wieder. Bis jedes Frühjahr wieder – ich nach Siurana komme.
Siurana zieht mich in seinen Bann. Unweigerlich. Unausweichlich. Immer wieder gleich. Dieser Ort unterzieht mich einer Gehirnwäsche. Wäscht aus meinem Kopf den Gedanken des Ziels, zieht mich aus meinem Hamsterrad, erzieht mich zu Ganzheit. Mit jedem Tag wird der Leistungsaspekt des Kletterns unwichtiger, rückt in den Vordergrund, was dieser Ort wirklich zu bieten hat (neben den schönen, schweren Routen natürlich): Die unglaubliche Lage, die wilde, mediterrane Natur, den Wind, die Sonne, die Menschen, die auch deshalb gekommen sind, mit viel Zeit, viel Geduld. Tage, die beginnen, ohne dass klar ist, was mit ihnen geschehen wird. Vielleicht werden wir irgendwann gegen Abend am Fels einfinden, vielleicht werden wir einfach den ganzen Tag in der Sonne liegen, Gitarre spielen, ausufernde Diskussionen starten, kochen, essen, ohne Druck doch heute Abend dieses und jenes Pensum absolviert haben zu müssen.
Nur, geht da nicht die Form kaputt, verliert sich nicht der Wille zwischen all diesen angenehmen Dingen? Vielleicht, aber wäre das dann schlimm? Und es ist ja nicht so, dass man sich ganz des Kletterns entledigen wollte. Nur eben seiner repressiven Seite. Und von all dem Essen und dem in der Sonne liegen wird man ja bekanntlich erst so richtig stark. Selbst wenn man es gar nicht mehr wollte. Ziemlich direkt bekomme ich das zu spüren im Sektor Grau dels Mastets. Toni Arbonés hat mich vorgewarnt, Chocolate caliente sei eine schwere 8c+. Die acht Versuche an drei Tagen, die sie mir abverlangte, erzählen eine andere Geschichte. Genauso sein Nachbar Leche caliente. 8c auf kleinsten Griffen. Im zweiten Versuch knapp gescheitert, im dritten auch, der vierte fällt auf einen Tag an dem es wie aus Eimern schneite. Dicke, weiße Flocken und absolute Stille. Spannendes Geeiere über die nassen Meter am Ausstieg, dann ist auch sie im Sack.
Jungle speed hatte ich bereits im Vorjahr einmal angeschaut, sie versprach auch noch im Frühjahr beste Bedingungen zu bieten, schattig, sogar windig, verloren zwischen Gebüsch und Gebäum im Sektor La Capella. Explosive Züge, zwei ca. Fb7c+ Boulder hintereinander, dann noch eine 8a+ zur Kette. Bereits im sechsten Versuch bin ich nah dran am Durchstieg, fühle also keinerlei Druck angesichts der drei Wochen, die mir noch bleiben. Ich mache Ruhetage, wie es das Herz begehrt, projektiere nebenher noch Chicane, wir machen Fotos in der 9a. Und da passiert es, ich hole mir einen reisen Cut am Zeigefinger, eine Woche keine kleinen Leisten mehr. Kein Grund zur Sorge, bleiben ja noch zwei Wochen danach.
Eine Woche später. Die Haut passt. Aber die Sintflut ist hereingebrochen. Wir versinken im Nebel und im Wasser. Vier Tage Dauerniederschlag. Macht nix, bleibt ja noch eine gute Woche danach.
Wieder eine Woche später. Das Wetter ist schön, aber: Jungle speed hat sich in einen Wasserfall verwandelt. Einen Tag, zwei Tage, vier… Ich gehe trotzdem hin, nur um festzustellen, dass der Ausstieg immer noch in der Waschstraße parkt. Aber nach zwei Wochen kann es ja nicht schaden, die Züge nochmal etwas zu trainieren. Ich bouldere ein bisschen rum, geht ganz gut, ich mache einen Versuch von unten. Geht, geht, geht. Geht alles. Ich habe die Route praktisch durchgestiegen, bin aus allen Schwierigkeiten heraus, aber ich kann nicht die 7b zur Kette machen, weil das Wasser über die kleinen Leisten in der Platte läuft. Dann also das nächste Mal.
Einige Tage später ist sie dann tatsächlich trocken, und inzwischen habe ich es sogar etwas eilig. So entspannt bin ich dann trotz all dem angenehmen Leben nicht, dass ich auf diese Route verzichten wollte. Jetzt, wo ich sie praktisch schon geklettert habe. Ich könnte mich einfach gut vorbereiten: Kohlehydrate essen, viel schlafen, mich mental einstimmen auf die Route, kein Alkohol oder sonstiges. Doch hier kommt mir wieder der anti-doktrinische Frühling in die Quere, der mir das Leben hier so leicht vorkommen lässt. Am Abend bevor ich Jungle speed rotpunkt klettern soll, sind wir bis halb fünf Uhr morgens am debattieren, um halb neun kommt die Sonne und brät mich aus dem Schlafsack, kurzum: Ich fühle mich zerschlagen.
Leider sagt der Wetterbericht ab morgen gewittrige 20 Grad an. Es sollte also trotz aller Zerschlagenheit gehen. Sonst könnte ich ernsthafte Konflikte mit der Heimreise bekommen. Und was im Endeffekt passiert erstaunt mich mehr, als mich jedes Versagen, jede Art von Formtief hätte erstaunen können. Da wir die Route noch filmen wollen, muss ich insgesamt dreimal hoch. Diese drei Mal gestalten sich folgendermaßen. Im ersten Versuch des Tages steige ich die Route ohne das geringste Problem durch. Nirgends gerate ich an mein Limit, Züge, die ich bisher sogar beim Ausbouldern schnappen musste, gehen plötzlich fast statisch. Freude und Erleichterung sind riesig, ich schreie sie laut – etwas sehr laut – hinaus.
Danach – eigentlich rechne ich damit sie vielleicht gleich nochmal durchsteigen zu können – geht gar nichts mehr. Mit Mühe und Not bekomme ich die Züge noch hin, mein Körper aber sagt mir deutlich: Ich habe ausgedient für diesen Siurana-Aufenthalt. Zwar habe ich noch Chicane offen und wäre auch motiviert, aber angesichts der Lehrstunde gegen dogmatisches Leistungsklettern kann ich davon ohne weiteres absehen und die letzten zwei Tage wieder in der Sonne liegen.
Dienstag, 21. Dezember 2010
Last Minute Man – „Devers Royale“ (8c+) fällt am letzten Tag in Geyikbayiri trotz subzerooptionaler Umstände.
To clip or not to clip. "Devers Royale" stellt den Konsumenten vor knifflige Aufgaben. |
Es ist halb fünf Uhr nachts. Erst in einer halben Stunde werde ich den Muezzin zum ersten Mal zum Gebet rufen hören. Von einem Minarett unten im Tal. Es ist die Nacht vor dem letzten Tag unserer zwei Wochen Geyikbayiri bei Antalya in der Türkei und ich habe es bis jetzt auf stolze fünf Klettertage gebracht. Zum einen wegen dem Wetter, zum anderen aber auch hatte ich den Glauben in meine Form verloren und darauf beschlossen gleich direkt zu klettern aufzuhören. In mein Projekt „Devers Royale“ (8c+) war ich vor vorgestern nur noch mal gegangen, um zu sehen, ob all die Ruhetage etwas an der etwas kläglichen Vorstellung der ersten Tage geändert haben sollten. Und sie hatten es tatsächlich, ich war erst weit oben gefallen und hatte also beschlossen nach zwei Ruhetagen alles auf den letzten Tag vor dem Abflug zu setzen. Der ist heute. Es ist halb fünf und ich bin hellwach.
Bereits gestern hatten wir gut angeheitert die halbe Nacht in einer Tropfsteinhöhle mit Neandertalerimitationen verbracht, diese Nacht sollte mich voll erholt und überstark ausspucken, aber leider macht mir meine Freundin das Leben schwer und jetzt denke ich einzig und alleine daran. Ich könnte heulen und möchte kotzen! Bis der Muezzin ruft, bis der Hahn kräht und bis ich es schließlich nicht mehr im Bett aushalte. Acht Stunden Schlaf in zwei Nächten, dazu ein Problem am Hals, das ich wenn es schon sein muss irgendwann anders, aber wirklich nicht heute am Hals haben mag. Ich stapfe also lustlos zum Fels und schweifen meine Gedanken mal zu meinem Projekt ab, dann nur um eindeutig festzustellen: Heute ist kein Tag zum Durchsteigen! Aber das ist ohnehin nicht mein größtes Problem. Also, was soll’s?
„Devers Royale“ ist die schwerste Route und einzige 8c+ in Geyikbayiri. Zu ihrer Bewertung ist sie gekommen, weil Yuji Hirayama sie nach einigen Griffausbrüchen letztes Jahr als erster in ihrem jetzigen Zustand kletterte und sie als schwerste Route der Türkei verkaufte. Was aber nicht heißt, dass sie besonders schwer für den Grad wäre. Als 8c wiederum ein dickes Brett. Bleibt man in Bewertungstonus des Gebiets, geht 8c+ also in Ordnung. Viel interessanter sind ohnehin die Moves, die komplexe Dachkletterei mit Knieklemmern und überhängender Wandkletterei auf Löchern kombinieren und neben ein wenig Maximalkraft, eine solide Ausdauer und ganz oben zudem noch gut Maximalkraftausdauer verlangen. Neben einer guten Kenntnis der Züge versteht sich…
Die 7a zum Aufwärmen bekomme ich ganz gut hin, aber spritzig fühle ich mich nicht. Auch die Bedingungen sind nichts Besonders, immerhin nicht à la Kalymnos, 25 Grad und so... Aber ich hoffe darauf, mir nach ein paar vergeblichen Versuchen zumindest sagen zu können, ich hätte es probiert. Außerdem hoffe ich, dass das Laktat mir den Kopf lüftet. Insgesamt hoffe ich aber ohnehin eher darauf möglichst schnell mit möglichst hochprozentigen Ablenkungen in Kontakt treten zu können. Doch das muss noch ein wenig warten. Noch habe ich meinen Arsch erst eine 7a hochbewegt.
Eigentlich sollte ich mich richtig aufwärmen, einmal volle Lotte (naja, vielleicht besser ¾ Lotte) die Arme aufpumpen, damit ich nachher auch eine ordentliche Pumpresistenz habe, aber irgendwie habe ich mehr Lust, mir meine Klatsche schnell abzuholen und gehe also gleich rein. Unten aber will es nicht so richtig klatschen, die Züge gehen gut, gehen besser, als beim letzten Mal. Ich spule mich zum ersten Ruhepunkt nach dem Dach hoch. Das Knie mit Kneepad im Fels versenkt kann ich erstmal gut durchschnaufen. Die paar Züge Übergang zum nächsten Knieklemmer sind nicht sehr schwer. Und dieser essentielle zweite Ruhepunkt klemmt heute so richtig gut. Essentiell, weil noch eine 8b bis zur Kette wartet. Aber ich kann mich besser denn je erholen, die Spannung wirklich rausnehmen und wie ich da so festklemme und über Kopf in die Landschaft hinausschaue, da merke ich auch, dass jegliche andere Spannung sich verflüchtigt. Was so ein guter, alter Flow nicht so alles bewirken kann! Und ich bin zwar eigentlich der Meinung, lieber eine Frau mehr, als eine 8c+ mehr, aber manchmal trete selbst ich von meinen Überzeugungen zurück.
Bleibt nur noch der 8b-Ausstieg, aber ich habe Vertrauen gesaugt und Kraft getankt. Und so mache ich Zug um Zug, komme gut in die Crux, gut hindurch und gut hinten wieder raus und weiß, – auch wenn noch einige Züge zu machen bleiben – dass hier alles unter Kontrolle ist. Lediglich die letzten fünf Meter dauern noch ein bisschen, weil ich sie noch nie probiert hatte. Aber eine 6c wird mich auch im Onsight nicht aufhalten. Und so mache ich der Freude über den Durchstieg der fünften 8c+ seit Oktober und dem restlichen Frust ziemlich laut und lange Luft. Wie in Kalymnos – wo ich am letzten Tag zwei 8c+ klettern konnte – auch hier wieder ein Last Minute Erfolg. Und wieder ein ganz unverhoffter. Zudem gibt es zwei schöne Statistiken: In vier von sechs der bisher besuchten Gebiete die schwerste Route geklettert und zudem Top 3 auf 8a.nu. Ist nicht viel wert, werden viele sagen, muss man trotzdem erstmal schaffen. Alles gut, alles schön! Wenn die Welt doch nur aus Klettern bestünde…
Bereits gestern hatten wir gut angeheitert die halbe Nacht in einer Tropfsteinhöhle mit Neandertalerimitationen verbracht, diese Nacht sollte mich voll erholt und überstark ausspucken, aber leider macht mir meine Freundin das Leben schwer und jetzt denke ich einzig und alleine daran. Ich könnte heulen und möchte kotzen! Bis der Muezzin ruft, bis der Hahn kräht und bis ich es schließlich nicht mehr im Bett aushalte. Acht Stunden Schlaf in zwei Nächten, dazu ein Problem am Hals, das ich wenn es schon sein muss irgendwann anders, aber wirklich nicht heute am Hals haben mag. Ich stapfe also lustlos zum Fels und schweifen meine Gedanken mal zu meinem Projekt ab, dann nur um eindeutig festzustellen: Heute ist kein Tag zum Durchsteigen! Aber das ist ohnehin nicht mein größtes Problem. Also, was soll’s?
„Devers Royale“ ist die schwerste Route und einzige 8c+ in Geyikbayiri. Zu ihrer Bewertung ist sie gekommen, weil Yuji Hirayama sie nach einigen Griffausbrüchen letztes Jahr als erster in ihrem jetzigen Zustand kletterte und sie als schwerste Route der Türkei verkaufte. Was aber nicht heißt, dass sie besonders schwer für den Grad wäre. Als 8c wiederum ein dickes Brett. Bleibt man in Bewertungstonus des Gebiets, geht 8c+ also in Ordnung. Viel interessanter sind ohnehin die Moves, die komplexe Dachkletterei mit Knieklemmern und überhängender Wandkletterei auf Löchern kombinieren und neben ein wenig Maximalkraft, eine solide Ausdauer und ganz oben zudem noch gut Maximalkraftausdauer verlangen. Neben einer guten Kenntnis der Züge versteht sich…
Die 7a zum Aufwärmen bekomme ich ganz gut hin, aber spritzig fühle ich mich nicht. Auch die Bedingungen sind nichts Besonders, immerhin nicht à la Kalymnos, 25 Grad und so... Aber ich hoffe darauf, mir nach ein paar vergeblichen Versuchen zumindest sagen zu können, ich hätte es probiert. Außerdem hoffe ich, dass das Laktat mir den Kopf lüftet. Insgesamt hoffe ich aber ohnehin eher darauf möglichst schnell mit möglichst hochprozentigen Ablenkungen in Kontakt treten zu können. Doch das muss noch ein wenig warten. Noch habe ich meinen Arsch erst eine 7a hochbewegt.
Eigentlich sollte ich mich richtig aufwärmen, einmal volle Lotte (naja, vielleicht besser ¾ Lotte) die Arme aufpumpen, damit ich nachher auch eine ordentliche Pumpresistenz habe, aber irgendwie habe ich mehr Lust, mir meine Klatsche schnell abzuholen und gehe also gleich rein. Unten aber will es nicht so richtig klatschen, die Züge gehen gut, gehen besser, als beim letzten Mal. Ich spule mich zum ersten Ruhepunkt nach dem Dach hoch. Das Knie mit Kneepad im Fels versenkt kann ich erstmal gut durchschnaufen. Die paar Züge Übergang zum nächsten Knieklemmer sind nicht sehr schwer. Und dieser essentielle zweite Ruhepunkt klemmt heute so richtig gut. Essentiell, weil noch eine 8b bis zur Kette wartet. Aber ich kann mich besser denn je erholen, die Spannung wirklich rausnehmen und wie ich da so festklemme und über Kopf in die Landschaft hinausschaue, da merke ich auch, dass jegliche andere Spannung sich verflüchtigt. Was so ein guter, alter Flow nicht so alles bewirken kann! Und ich bin zwar eigentlich der Meinung, lieber eine Frau mehr, als eine 8c+ mehr, aber manchmal trete selbst ich von meinen Überzeugungen zurück.
Bleibt nur noch der 8b-Ausstieg, aber ich habe Vertrauen gesaugt und Kraft getankt. Und so mache ich Zug um Zug, komme gut in die Crux, gut hindurch und gut hinten wieder raus und weiß, – auch wenn noch einige Züge zu machen bleiben – dass hier alles unter Kontrolle ist. Lediglich die letzten fünf Meter dauern noch ein bisschen, weil ich sie noch nie probiert hatte. Aber eine 6c wird mich auch im Onsight nicht aufhalten. Und so mache ich der Freude über den Durchstieg der fünften 8c+ seit Oktober und dem restlichen Frust ziemlich laut und lange Luft. Wie in Kalymnos – wo ich am letzten Tag zwei 8c+ klettern konnte – auch hier wieder ein Last Minute Erfolg. Und wieder ein ganz unverhoffter. Zudem gibt es zwei schöne Statistiken: In vier von sechs der bisher besuchten Gebiete die schwerste Route geklettert und zudem Top 3 auf 8a.nu. Ist nicht viel wert, werden viele sagen, muss man trotzdem erstmal schaffen. Alles gut, alles schön! Wenn die Welt doch nur aus Klettern bestünde…
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Let it rain! – Geyikbairi bei Antalya serviert uns endlich richtig mieses Winterwetter
Es prasselt aufs Dach. Es prasselt die ganze Nacht. Aber es prasselt auch im Ofen unserer Ferienwohnung. Ja, ihr habt richtig gehört, dank der Kooperation des JoSiTo-Camps Geyikbairi mit unserem Buchprojekt ist es uns möglich einige Tage in dieser wunderbaren Hütte zu hausen. Ein Standard, den ich längst vergessen hatte, seit ich ihn in meinen letzten Familienurlauben gesehen hatte, der aber richtig geil ist. Kauft also zahlreich unser Buch, dass wir auch in Zukunft immer in solchen Hütten leben können ;). Dazu hat mir meine Freundin Jeanne einen Adventskalender mit ca. 24 kleinen Geschenken geschickt, von denen ich jetzt jeden Tag ein öffnen darf und wir haben alle Ausrüstung, um den lieben langen Tag Tee zu trinken und riesige Gerichte auf mehr als einer Flamme zu kochen. Selbst hier in der Türkei ist es also richtig vorweihnachtlich.
Dazu trägt allerdings nicht nur die Ferienwohnung bei, sondern auch der Schnee. Der Schneesturm. Gut, jetzt ist er vorbei, aber vorgestern wehte er den ganzen Vormittag und nur 200 Meter höher ist der Schnee sogar liegen geblieben. Heute ist nur noch der Regen geblieben, aber auch der ist super. Man blickt kurz hinaus und in einer Sekunde ist klar, dass heute weder an Klettern, noch an Fotografieren zu denken ist. Ein freier Tag also. Super! Danke Regen. Leider kann man zugleich nicht wirklich sicher sein, ob wir hier überhaupt noch mal groß zum Anreißen kommen, nach den Mengen Wasser, die hier die ganze Nacht die Erde verhauen haben.
Was fast ein bisschen schade wäre, denn man könnte hier auch ganz hervorragend klettern. Der Fels wartet nicht nur mit abgefahrenen Farben und Formen auf, er beklettert sich auch sehr abwechslungsreich. Mit Tendenz zu eher steil als plattig. So auch mein erstes Ziel „Devers Royale“. Nachdem ich angesichts des Wetters mein anfängliches Angefange in der Route wieder einstellen wollte, musste ich dann während des Schneesturms doch einräumen, dass die Route bei 3 Grad deutlich leichter als bei 20 Grad ist und also wird aus dem Angefange wohl dann doch noch ein Durchstieg werden. Sofern der Sektor heute nicht davon geschwommen ist. Da das gute Stück die schwerste Route des Gebiets ist, könnte ich so zudem meine Bilanz der jeweils schwersten Routen des Gebiets weiter ausbauen. Bisher steht es 3 aus 5 (Tja, in Céüse hatte es nicht sein sollen und auch in Kalymnos nicht) und so könnte ich auf 4 aus 6 erhöhen. Im nächsten Jahr wird diese Mission ohnehin aussichtslos. Siurana, Margalef, Rodellar… Da brächte ich schon einige Steroide auf der Weihnachtstafel.
Aber auch schon 8c+ ist richtig schwer geworden. Denn meine Form hat sich irgendwie gleich zusammen mit meiner Motivation in eine passive Vorweihnachtsstimmung geflüchtet. Zwar kann ich so für zwei Versuche schon noch mehr oder weniger Gas geben, danach ist aber Schluss. Verschleißerscheinungen. Es braucht mal wieder ein bisschen Pause und ein bisschen Abwechslung vom Kletterreisen. Die Pause gibt es ab 22., denn da winkt Condor mit dem Rückflugzeug und das ist ein so absehbarer Zeitrahmen, dass ich statt schon nachzulassen mich doch noch einmal im Schlussspurt versuchen könnte. Nach der Willensleistung, die ich in Kalymnos bringen musste, um die beiden 8c+ zu klettern, dürfte das hier ein Kinderspiel werden. Denn glücklicherweise ist „Devers Royale“ nicht so schwer für den Grad und glücklicherweise hilft gegen den Kraftverlust der letzten Tage eines immer noch zuverlässig: Essen. Und das ist dann auch Programm für diese Regentage in der warmen Hütte und bald wird man wissen, wie viel mehr Kraft das ganze Geesse denn bescheren wird.
Dazu trägt allerdings nicht nur die Ferienwohnung bei, sondern auch der Schnee. Der Schneesturm. Gut, jetzt ist er vorbei, aber vorgestern wehte er den ganzen Vormittag und nur 200 Meter höher ist der Schnee sogar liegen geblieben. Heute ist nur noch der Regen geblieben, aber auch der ist super. Man blickt kurz hinaus und in einer Sekunde ist klar, dass heute weder an Klettern, noch an Fotografieren zu denken ist. Ein freier Tag also. Super! Danke Regen. Leider kann man zugleich nicht wirklich sicher sein, ob wir hier überhaupt noch mal groß zum Anreißen kommen, nach den Mengen Wasser, die hier die ganze Nacht die Erde verhauen haben.
Was fast ein bisschen schade wäre, denn man könnte hier auch ganz hervorragend klettern. Der Fels wartet nicht nur mit abgefahrenen Farben und Formen auf, er beklettert sich auch sehr abwechslungsreich. Mit Tendenz zu eher steil als plattig. So auch mein erstes Ziel „Devers Royale“. Nachdem ich angesichts des Wetters mein anfängliches Angefange in der Route wieder einstellen wollte, musste ich dann während des Schneesturms doch einräumen, dass die Route bei 3 Grad deutlich leichter als bei 20 Grad ist und also wird aus dem Angefange wohl dann doch noch ein Durchstieg werden. Sofern der Sektor heute nicht davon geschwommen ist. Da das gute Stück die schwerste Route des Gebiets ist, könnte ich so zudem meine Bilanz der jeweils schwersten Routen des Gebiets weiter ausbauen. Bisher steht es 3 aus 5 (Tja, in Céüse hatte es nicht sein sollen und auch in Kalymnos nicht) und so könnte ich auf 4 aus 6 erhöhen. Im nächsten Jahr wird diese Mission ohnehin aussichtslos. Siurana, Margalef, Rodellar… Da brächte ich schon einige Steroide auf der Weihnachtstafel.
Aber auch schon 8c+ ist richtig schwer geworden. Denn meine Form hat sich irgendwie gleich zusammen mit meiner Motivation in eine passive Vorweihnachtsstimmung geflüchtet. Zwar kann ich so für zwei Versuche schon noch mehr oder weniger Gas geben, danach ist aber Schluss. Verschleißerscheinungen. Es braucht mal wieder ein bisschen Pause und ein bisschen Abwechslung vom Kletterreisen. Die Pause gibt es ab 22., denn da winkt Condor mit dem Rückflugzeug und das ist ein so absehbarer Zeitrahmen, dass ich statt schon nachzulassen mich doch noch einmal im Schlussspurt versuchen könnte. Nach der Willensleistung, die ich in Kalymnos bringen musste, um die beiden 8c+ zu klettern, dürfte das hier ein Kinderspiel werden. Denn glücklicherweise ist „Devers Royale“ nicht so schwer für den Grad und glücklicherweise hilft gegen den Kraftverlust der letzten Tage eines immer noch zuverlässig: Essen. Und das ist dann auch Programm für diese Regentage in der warmen Hütte und bald wird man wissen, wie viel mehr Kraft das ganze Geesse denn bescheren wird.
Dienstag, 7. Dezember 2010
Das ziemlich dicke Ende fünf ganz dünner Wochen
Der Startboulder in "Inshallah" (8c+) - noch gut 20 Züge ohne Rastpunkt bis zur Kette. |
Am letzten Tag in Kalymnos – dem ersten seit 5 Wochen mit guten Bedingungen – finished Pirmin seine beiden Projekte „Inshallah“ (8c+) und „Gora Guta Gutarek“ (8c+) innerhalb weniger Stunden.
Ich stehe auf, besser ich wanke auf und irgendwie weiß ich gleich: Also meine Form würd es heute nicht rausreißen, wenn dann nur der kühle Nordwind, der mir ins Gesicht und die Wellen hart an den Strand fährt. Denn leider bin ich gestern einem kleinen Trugschluss erlegen. Da ich keine Uhr besitze, habe ich mich an Hervés Stirnlampe orientiert, um nicht völlig in meiner ziemlich fesselnden Lektüre zu ertrinken. Eine leise Ahnung hatte mich schon ereilt, dass er heute aber ganz schön lange liest, als ich feststellen musste, dass er schon längst mit dem Buch in der Hand entschlummert war. Und das seit vermutlich bereits einigen Stunden. So habe ich mir letzten Endes wohl bis zwei Uhr nachts mein Buch an die Backe geklebt und jetzt beim Aufwanken um acht Uhr morgens merke ich das. Dabei sollte doch heute alles stimmen. Das Wetter, die Form, die Motivation.
Zwei Griffe in der Aufwärmroute angefasst und ich weiß: Zumindest in Punkto Bedingungen stimmt heute wirklich alles. Wind, unter 20 Grad, niedrige Luftfeuchte. Das klingt jetzt gar nicht so besonders, man muss aber wissen, welche Komödie sich hier seit fünf Wochen abspielt. Kein Tag! mit unter 20 Grad und ich glaube auch keiner mit unter 60% relativer Feuchte. Ich konnte es selbst nicht fassen und immer sagte die Prognose: Es wird kühler. Wurde es aber nicht und so habe ich meinen nervlichen Karren ziemlich an die Wand gefahren. Drei Mal war ich sicher hier auf Kalymnos die Segel zu streichen, ohne auch nur eines meiner beiden Projekte geklettert zu haben („Inshallah“ hatte ich eigentlich auch nur begonnen, da „Gora…“ während zwei Wochen komplett nass war). Dann kam wieder ein einigermaßen guter Versuch und ich beschloss weiter zu hoffen. Aber unser Zeitbudget ist am Ende, denn wir wollen ja noch in die Türkei und brauchen mindestens zwei Wochen für die Fotos und Texte dort. Spätester Termin für die Abfahrt also: Morgen früh.
Ich fühle mich zwar noch nicht voll auf dem Damm, aber der Grip gibt mir Mut. Also nochmal kurz die ersten Metern an den Haken hoch und über alle Griffe der Crux bürsten. Dann der erste Versuch des Tages. Ich weiß, ich sollte hier möglichst schnell knipsen, damit die Kraft noch für „Inshallah“ reicht. Ich komme schlecht in die Crux, bin noch zu fahrig, ich spüre die kurze Nacht noch schwer auf der Präzision liegen. Doch ich komme trotzdem am Sprung an den verfluchten Sinter – dem Schlüsselzug – an. Dem Zug, der mich schon sechs oder sieben Mal hat abschmieren lassen, immer weil die Wand einem Stück Seife glich. Diesmal klebt sie förmlich und so klebe auch ich auf einmal förmlich fest am Sinter. Und nein, er rutscht nicht, so wie sonst immer. Ein Schrei entfährt mir, fast ein Knurren, so habe ich diesen Zug verflucht und jetzt endlich ist er in der Tasche. Es fehlen aber noch die 20 Meter 8a zur Kette. Jetzt aber bin ich wach und prügel einfach alles mit absoluter Kontrolle und Präzision weg. Und nehme an der Umlenkung das Schreien und Jubeln wieder auf, aber auch ein wenig das Schimpfen. So viele Versuche in einer 8c+, wahrscheinlich fast über 20! Und die Hälfte davon hätte mir ein Tag Nordwind ersparen können. Trotzdem fällt mir natürlich ein Stein vom Herzen. Das Minimalziel ist in der Tasche. Aber ich will noch mehr!
Leider vermassele ich meinen ersten Versuch des Tages in „Inshallah“ ziemlich, falle sieben Züge vor der Kette. Trotzdem ist das der beste Versuch bisher, die Route – die eine volle Ladung Maximalkraftausdauer verlangt – ist eigentlich noch gar kein richtiger Kandidat zum Durchsteigen. Ich bräuchte besser noch einen Tag Training, aber den habe ich nicht. Aber vielleicht reicht es ja auch so, denn ich merke im zweiten und letzten Versuch, wie ich gut durch den unter den Teil des Daches komme. Tolle Bugkletterei auf Slopern und Löchern und auch in der folgenden, etwas leichteren Lochpassage sehe ich gut aus. Nicht aber viel besser als auch schon. Und auch schon, hieß bisher immer Abflug spätestens sieben Züge vor Schluss.
Vor dem letzten richtig schweren Zug angekommen spüre ich die Wende dann aber kommen. Auf einer Sinterbeule, die immer etwas schmierig war, kann ich auf einmal ganz kurz schütteln und so die rechte Schulter entlasten, die im folgenden schweren Zug etwas mehr Gas geben kann und mich so über die bisherige Bestmarke schiebt. Dummerweise bin ich vollkommen am Ende, klugerweise aber hat mein Kopf jetzt auf alles-Wegreißen umgestellt und so kämpfe ich mich über den letzten schweren Zug – einen weiten Kreuzer aus einem Knieklemmer. Nur noch zwei Züge fehlen. Doch da passiert es, meine Rumpfspannung versagt und ich rutsche aus dem anvisierten Untergriff und setze zum Fallen an. Und es schießt mir durch den Kopf: Nein bitte nicht, du bist so nah dran am perfekten Klettertag, bitte, bitte nicht fallen! Und mein Körper erhöht mein Flehen und schenkt mir nochmal ein paar Extrakörner und im Rutschen, kann ich eine kleine Dulle halten und mich stabilisieren und da weiß ich: Jaaaaaaaaaaaa!!! Ich werde die Kette klippen. Und ich jubele und schreie meine Frust und meine Freude heraus und dann nur noch meine Freude über den perfekten Klettertag. Und ich will gar nicht mehr aufhören und ja, meine Stimme wird morgen früh nach Krankheit klingen, aber das ist doch einfach viel zu schön, viel zu schön…
Ich stehe auf, besser ich wanke auf und irgendwie weiß ich gleich: Also meine Form würd es heute nicht rausreißen, wenn dann nur der kühle Nordwind, der mir ins Gesicht und die Wellen hart an den Strand fährt. Denn leider bin ich gestern einem kleinen Trugschluss erlegen. Da ich keine Uhr besitze, habe ich mich an Hervés Stirnlampe orientiert, um nicht völlig in meiner ziemlich fesselnden Lektüre zu ertrinken. Eine leise Ahnung hatte mich schon ereilt, dass er heute aber ganz schön lange liest, als ich feststellen musste, dass er schon längst mit dem Buch in der Hand entschlummert war. Und das seit vermutlich bereits einigen Stunden. So habe ich mir letzten Endes wohl bis zwei Uhr nachts mein Buch an die Backe geklebt und jetzt beim Aufwanken um acht Uhr morgens merke ich das. Dabei sollte doch heute alles stimmen. Das Wetter, die Form, die Motivation.
Zwei Griffe in der Aufwärmroute angefasst und ich weiß: Zumindest in Punkto Bedingungen stimmt heute wirklich alles. Wind, unter 20 Grad, niedrige Luftfeuchte. Das klingt jetzt gar nicht so besonders, man muss aber wissen, welche Komödie sich hier seit fünf Wochen abspielt. Kein Tag! mit unter 20 Grad und ich glaube auch keiner mit unter 60% relativer Feuchte. Ich konnte es selbst nicht fassen und immer sagte die Prognose: Es wird kühler. Wurde es aber nicht und so habe ich meinen nervlichen Karren ziemlich an die Wand gefahren. Drei Mal war ich sicher hier auf Kalymnos die Segel zu streichen, ohne auch nur eines meiner beiden Projekte geklettert zu haben („Inshallah“ hatte ich eigentlich auch nur begonnen, da „Gora…“ während zwei Wochen komplett nass war). Dann kam wieder ein einigermaßen guter Versuch und ich beschloss weiter zu hoffen. Aber unser Zeitbudget ist am Ende, denn wir wollen ja noch in die Türkei und brauchen mindestens zwei Wochen für die Fotos und Texte dort. Spätester Termin für die Abfahrt also: Morgen früh.
Ich fühle mich zwar noch nicht voll auf dem Damm, aber der Grip gibt mir Mut. Also nochmal kurz die ersten Metern an den Haken hoch und über alle Griffe der Crux bürsten. Dann der erste Versuch des Tages. Ich weiß, ich sollte hier möglichst schnell knipsen, damit die Kraft noch für „Inshallah“ reicht. Ich komme schlecht in die Crux, bin noch zu fahrig, ich spüre die kurze Nacht noch schwer auf der Präzision liegen. Doch ich komme trotzdem am Sprung an den verfluchten Sinter – dem Schlüsselzug – an. Dem Zug, der mich schon sechs oder sieben Mal hat abschmieren lassen, immer weil die Wand einem Stück Seife glich. Diesmal klebt sie förmlich und so klebe auch ich auf einmal förmlich fest am Sinter. Und nein, er rutscht nicht, so wie sonst immer. Ein Schrei entfährt mir, fast ein Knurren, so habe ich diesen Zug verflucht und jetzt endlich ist er in der Tasche. Es fehlen aber noch die 20 Meter 8a zur Kette. Jetzt aber bin ich wach und prügel einfach alles mit absoluter Kontrolle und Präzision weg. Und nehme an der Umlenkung das Schreien und Jubeln wieder auf, aber auch ein wenig das Schimpfen. So viele Versuche in einer 8c+, wahrscheinlich fast über 20! Und die Hälfte davon hätte mir ein Tag Nordwind ersparen können. Trotzdem fällt mir natürlich ein Stein vom Herzen. Das Minimalziel ist in der Tasche. Aber ich will noch mehr!
Leider vermassele ich meinen ersten Versuch des Tages in „Inshallah“ ziemlich, falle sieben Züge vor der Kette. Trotzdem ist das der beste Versuch bisher, die Route – die eine volle Ladung Maximalkraftausdauer verlangt – ist eigentlich noch gar kein richtiger Kandidat zum Durchsteigen. Ich bräuchte besser noch einen Tag Training, aber den habe ich nicht. Aber vielleicht reicht es ja auch so, denn ich merke im zweiten und letzten Versuch, wie ich gut durch den unter den Teil des Daches komme. Tolle Bugkletterei auf Slopern und Löchern und auch in der folgenden, etwas leichteren Lochpassage sehe ich gut aus. Nicht aber viel besser als auch schon. Und auch schon, hieß bisher immer Abflug spätestens sieben Züge vor Schluss.
Vor dem letzten richtig schweren Zug angekommen spüre ich die Wende dann aber kommen. Auf einer Sinterbeule, die immer etwas schmierig war, kann ich auf einmal ganz kurz schütteln und so die rechte Schulter entlasten, die im folgenden schweren Zug etwas mehr Gas geben kann und mich so über die bisherige Bestmarke schiebt. Dummerweise bin ich vollkommen am Ende, klugerweise aber hat mein Kopf jetzt auf alles-Wegreißen umgestellt und so kämpfe ich mich über den letzten schweren Zug – einen weiten Kreuzer aus einem Knieklemmer. Nur noch zwei Züge fehlen. Doch da passiert es, meine Rumpfspannung versagt und ich rutsche aus dem anvisierten Untergriff und setze zum Fallen an. Und es schießt mir durch den Kopf: Nein bitte nicht, du bist so nah dran am perfekten Klettertag, bitte, bitte nicht fallen! Und mein Körper erhöht mein Flehen und schenkt mir nochmal ein paar Extrakörner und im Rutschen, kann ich eine kleine Dulle halten und mich stabilisieren und da weiß ich: Jaaaaaaaaaaaa!!! Ich werde die Kette klippen. Und ich jubele und schreie meine Frust und meine Freude heraus und dann nur noch meine Freude über den perfekten Klettertag. Und ich will gar nicht mehr aufhören und ja, meine Stimme wird morgen früh nach Krankheit klingen, aber das ist doch einfach viel zu schön, viel zu schön…
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